Das eine Kind flieht,
das andere zieht in den Krieg

Das Paradies meines Nachbarn
Foto: btb
Das Paradies meines Nachbarn
Foto: btb

Der Roman "Das Paradies meines Nachbarn" von Nava Ebrahimi

li-Reza war im Krieg. Ali Najjar auch. Sina hat vom Krieg gehört. Ali-Reza sitzt deshalb im Rollstuhl. Immer noch im Iran. Ali Najjar ist nach Deutschland geflohen und ist nun ein erfolgreicher Möbel-Designer. Sina ist Perser. Kennt den Iran aber kaum, ist in Deutschland aufgewachsen. â??Das Paradies meines Nachbarnâ?? verwebt diese drei Leben auf leisen Sohlen miteinander. Denn Ali Najjar hat ein Geheimnis, das nach dem Tod seiner Mutter nur noch Ali-Reza kennt. Sina ist Ali Najjars Arbeitskollege und dient ihm als UnterstÃŒtzung oder besser gesagt Komplize auf einer Reise nach Dubai, wo sich die drei MÀnner treffen sollen.
Nava Ebrahimis Sprache ist nÃŒchtern. Ihr ist anzumerken, dass Ebrahimi vorher als Journalistin gearbeitet hat. Kein Wort zuviel und jedes andere genau auf den Punkt. Auch finden sich in den SÀtzen hier und da Worte, die ich nicht in einem Roman vermutet hÀtte. Doch sie passen zu ihrem Stil und zu diesem Buch. HÀtte eine andere Autorin dieses Buch geschrieben, wÀre es sicher mindestens hundert Seiten lÀnger geworden. So treiben die SÀtze die Geschichte voran. Trotzdem fÃŒhlt sich das ErzÀhlte nicht gehetzt an. Aber der Stil erzeugt eine gewissen Unruhe. Die Sprache und der Stil ist das, was mir an â??Das Paradies meines Nachbarnâ?? am besten gefallen hat. Wobei mir das Buch durch sein wunderschönes Cover aufgefallen ist.

Die Geschichte selber ist bei aufmerksamem Lesen schnell durchschaut. Auch ist schnell klar, wen wir als Leser*innen sympathisch finden sollen und wen nicht. Ali-Reza im Iran und sein Gegenspieler Ali Najjar in MÌnchen stellen die Protagonisten in diesem Buch dar. Ali-Rezas Absichten sind undurchsichtig und nicht greifbar. Genauso wie ich seinen Charakter nicht greifen kann. Ali Najjar dagegen ist oberflÀchlich und zu sehr von sich selbst eingenommen, als dass ich ihn sympathisch finden könnte. Zu lange schon hÀlt er seine Fassade aufrecht. Wei� er selber Ìberhaupt noch, wer er wirklich ist? Zu sehr geprÀgt von seinem Versteckspiel, um irgendwie authentisch zu wirken. Der eigenlich Hauptakt ist Sina: verheiratet, eine Tochter, Mitte drei�ig, verwirrt und verzweifelt, was er mit seinem mittelmÀ�igen Leben anfangen soll. Er war der, den mir die Autorin zwischen den Zeilen am nahesten bringen konnte. Aber richtig erreichen, packen, schÌtteln, erschÌttern konnte mich die Geschichte nicht. Selbst die Beschreibungen des Kriegs waren immer eine ArmlÀnge weit von mir weg.

Der Roman hat das Potenzial lÀnger bei dem Leser oder der Leserin zu bleiben. Aber diese Entscheidung trifft der Leser oder die Leserin selber. Sich mit der ein oder anderen Passage lÀnger zu befassen, nochmals zu lesen, innehalten und wirken lassen, tut bei der LektÌre des Buches durchaus gut. Es ist aber etwas, wozu sich die Lesenden aktiv entscheiden mÌssen und nicht etwas, das aus der Geschichte heraus passiert.
Wer auf eine leise, gut geschriebene Geschichte Lust hat, die fernab von Romantik, Liebesgeschichte und â??Mein Haus, mein Auto, meine Yachtâ??-GeplÀnkel spielt, der wird hier fÃŒndig. Ein Krieg, zwei Schicksale und drei MÀnner, die nicht genau wissen, wo sie im Leben gerade stehen, ergeben eine gute LektÃŒre.

RJ

Montag, 17.08.2020

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Letzte Aktualisierung: 04.10.2021 09:06 Uhr     © 2025 Theatergemeinde KÃ?LN | Auf dem Berlich 34 | 50667 Köln